Samuel Beckett
Watt (1968)
Mr. Knotts Mahlzeiten machten kaum Mühe.
Samstag abends wurde eine Menge Nahrung zubereitet und gekocht, die genügte, um Mr. Knott eine Woche lang durchzubringen.
Dieses Gericht enthielt Nahrungsmittel verschiedener Art, wie Suppen verschiedener Art, Fisch, Eier, Wild, Geflügel, Fleisch, Käse, Obst, alles verschiedener Art, und freilich Brot und Butter, und es enthielt auch Getränke, denen am meisten zugesprochen wird, wie Absinth, Mineralwasser, Tee, Kaffee, Milch, Stout, Bier, Whisky, Cognac, Wein und Wasser, und es enthielt auch viel für die Gesundheit, wie Insulin, Digitalin, Kalomel, Jod, Laudanum, Quecksilber, Kohle, Eisen, Kamille und Wurmmittel, und freilich Salz und Senf, Pfeffer und Zucker, und freilich ein Tröpfchen Salizylsäure gegen die Gärung.
Alle diese Dinge und noch viele andere, die zu zahlreich sind, als dass sie hier erwähnt werden könnten, wurden in dem berühmten Topf innig miteinander vermischt und vier Stunden lang gekocht, bis die Konsistenz von Maische oder Mus erreicht war, und all die guten Sachen zum Essen und all die guten Sachen zum Trinken und all die guten Sachen für die Gesundheit wurden unwiederbringlich vermengt und in eine einzige gute Sache verwandelt, die weder Speise noch Trank, noch Arznei war, sondern eine ganz neue gute Sache, von der schon ein Löffel voll den Appetit gleichzeitig anregte und verdarb, Durst erzeugte und löschte, die Lebensfunktionen des Körpers gefährdete und förderte, und überdies angenehm zu Kopf stieg.
Watt fiel die Aufgabe zu, die Zutaten, aus denen sich dieses Gericht zusammensetzte, mit äusserster Genauigkeit zu wiegen, zu messen und zu zählen, und jene, die einer Zubereitung bedurften, für den Topf zuzubereiten und sie ohne Einbusse innig miteinander zu vermischen, so dass nichts mehr voneinander zu unterscheiden war, und sie zum Kochen zu bringen, und wenn sie kochten, sie am Kochen zu halten, und wenn sie gekocht waren, ihr Kochen zu unterbrechen und sie hinauszustellen ins Kühle, an einen kühlen Platz. Diese Aufgabe beanspruchte Watts Kräfte, die seines Geistes und die seines Körpers, auf das äusserste, so heikel und so schwer war sie. Und bei warmem Wetter geschah es bisweilen, während er mischte, bis zu den Hüften entblösst, und mit beiden Händen die grosse Eisenstange handhabte, dass Tränen hinabfielen, Tränen geistiger Erschöpfung, von seinem Gesicht in den Topf, und von seiner Brust, und aus seinen Achselhöhlen, durch seine Anstrengungen hervorgerufene dicke Schweissperlen, ebenfalls in den Topf. Auch seine seelischen Reserven wurden auf eine harte Probe gestellt, so gross war sein Verantwortungsbewusstsein. Denn er wusste, so als hatte man es ihm gesagt, dass das Rezept dieses Gerichts seit seiner Zusammenstellung vor langer, langer Zeit nie verändert worden war und dass die Auswahl, die Dosierung und die Mengen der nötigen Zutaten mit der peinlichsten Genauigkeit berechnet worden waren, um Mr. Knott für eine Folge von vierzehn vollen Mahlzeiten, das heisst sieben vollen Mittagsmahlzeiten und sieben vollen Abendmahlzeiten, ein mit der Erhaltung seiner Gesundheit vereinbares Höchstmass an Genuss zu gewähren.
Dieses Gericht wurde Mr. Knott kalt, in einem Napf, um Punkt zwölf Uhr mittags und pünktlich um sieben Uhr abends das ganze Jahr hindurch serviert.
Samuel Beckett - Watt In: Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. (1972), (Suhrkamp Taschenbuch 46), S. 89 f. oder: Werke, Band II, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. (1976), S. 292 f. |