Günter Grass
aus: Der Butt - Den Kot beschauen (1977)
Im vierten Monat schwanger (und deshalb plötzlich nach Haselnüssen verrückt) verlor Ilsebill, die nicht meine Küchenmagd gewesen sein will, sondern streng geradeaus denkt und zu den Anklägerinnen des Butt gehören könnte, rechts oben einen mit einer Goldkrone wertvoll gemachten Backenzahn, den sie, als hätte sich ihr eine männliche Kröte genähert, schreckhaft verschluckte; nur die Schalen der überdies tauben Nuss spuckte sie aus.
Ich sagte: »Und? Hast du nachgeguckt? Ist doch immerhin Gold.«
Aber sie weigerte sich, ihren Morgenkot tagsdrauf zu beschauen oder gar mit einer abwaschbaren Gabel zu sondieren. Und mir wurde verboten, in ihren, wie sie wegwerfend sagte, »Exkrementen« zu wühlen.
»Das ist deine zu gute falsche Erziehung«, sagte ich; denn unser Kot sollte uns wichtig sein und nicht widerlich. Ist doch nichts Fremdes. Hat unsere Wärme. Wird neuerdings wieder in Büchern beschrieben, in Filmen dargestellt und in Bildern als Stilleben gemalt. Man hatte ihn nur vergessen.
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Günter Grass Der Butt - Den Kot beschauen in: Luchterhand Verlag, Darmstadt/Neuwied (1977), S. 299 f. oder Steidl Verlag Göttingen (1997), S. 301 f. |