Franz Kafka - ErzählungenFranz Kafka
aus: Forschungen eines Hundes (1922)

Es gehört nicht zu den Vorzügen der Hundeschaft, dass wir Speisen, die wir einmal erlangt haben, zur Verteilung bringen. Das Leben ist schwer, die Erde spröde, die Wissenschaft reich an Erkenntnissen, aber arm genug an praktischen Erfolgen; wer Speise hat, behält sie; das ist nicht Eigennutz, sondem das Gegenteil, ist Hundegesetz, ist einstimmiger Volksbeschluss, hervorgegangen aus Überwindung der Eigensucht, denn die Besitzenden sind ja immer in der Minderzahl. Und darum ist jene Antwort: »Hast du nicht genug zu essen, werden wir dir von dem unseren geben« eine ständige Redensart, ein Scherzwort, eine Neckerei.


Buchllink
Franz Kafka
Forschungen eines Hundes
in: F. Kafka, Schriften Tagebücher, Kritische Ausgabe, Drucke zu Lebzeiten,
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. (2002), S. 333 f.