328 Seiten,
Campus Fachbuch (2001),
ISBN 3593368153
25.50 Euro
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Essen muss der Mensch seit altersher. Was er aber zwecks Lebenserhalt oder auch des Genusses willen zu sich nimmt, ist und war äusserst variabel beim Homo sapiens. Um so deutlicher zeichnet sich im Was und Wie der Nahrungsaufnahme ein kultureller und gesellschaftlicher Einfluss ab. Wie entscheidend die Esskultur sogar die Menschwerdung beeinflusst hat, zeigt sich am Zusammenhang zwischen der Entdeckung des Feuers und der Sprachentwicklung: Weil gebratenes Fleisch leichter zu kauen und zu verdauen ist, konnte sich das Gebiss des urzeitlichen Gourmets verkleinern, wodurch der Mund wiederum tauglicher wurde um sich sprachlich artikulieren zu können.
Der Historiker und Volkskundler Gunther Hirschfelder hat sich die Mühe gemacht, den Speiseplänen und Esssitten von der Steinzeit bis heute nachzuspüren und dabei erhellende Entwicklungslinien und Zusammenhänge sichtbar zu machen. Es wird deutlich, dass nicht unbedingt von einer stetigen Höherentwicklung unserer Esskultur ausgegangen werden darf. Manche Errungenschaften wie der Gebrauch differenzierter Esswerkzeuge oder die soziale Bedeutung gemeinsamer Mahlzeiten sind in unserer Imbiss- und Fastfood-Kultur in erheblicher Gefahr.
Spannend ist auch die Erkenntnis, dass das Essen seit den Zeiten der alten Ägypter und Griechen - denen wir sozusagen die Basisrezepte für die europäische Küche zu verdanken haben - stets mit gesellschaftlichem Status und mit politischer Macht tun hatte. Erwähnt seien nur die Brot-und-Spiele-Programmen der Römer, die diversen Fastengebote der katholischen Kirche sowie die Bemühungen um einen gesund ernährten Volkskörper im 3. Reich.
Die Nationalsozialisten mussten aber auch erfahren, wie eine der Haupterkenntnisse dieses spannenden Streifzugs durch die Europäische Esskultur lautet: "Die historische Betrachtung zeigt, dass die Nahrungssysteme auf Neuerungen prinzipiell schwerfällig reagieren und dass die Menschen bestrebt sind, am Bewährten festzuhalten". So konnte beispielsweise selbst die Gründung eines "Reichsvollkornbrotausschusses" im Jahre 1939 die Lust der Deutschen auf Weissbrot nicht entscheidend vermindern.
Es ist ein ungeheuer interessantes Thema, in das man hier kompetent und mit vielen Abbildungen eingeführt wird. Der Balanceakt zwischen wissenschaftlicher Fundiertheit und Lesbarkeit gelingt dem Autor zufrieden stellend. Das einzige was man als Leser wirklich bedauert, dass chon nach gut 300 Seiten Schluss ist.
Im letzten Kapitel lässt einen die Knappheit und die überblicksartige Darstellung vielleicht etwas unbefriedigt zurück. Der tief greifende Wandel der letzten Jahrzehnte mit den Trends zu Tiefkühl- und Fertiggerichten, Fastfood- und Imbisskultur, Functional- und Designerfood, Essstörungen und Fettleibigkeit, internationalen Küchen und die neue Orientierungslosigkeit angesichts der Warenfülle, wird nur relativ kurz angerissen.
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