Was ist Blausäure?
Blausäure (HCN) wird auch als Cyanwasserstoff oder als Nitril der Ameisensäure bezeichnet. Es handelt sich in reinem Zustand um eine wasserähnliche, niedrigviskose Flüssigkeit die bei -13.4 °C zu einer faserigen Kristallmasse erstarrt und bei 26 °C siedet.
Flüssige Blausäure verdunstet an der Luft bei Raumtemperatur sehr schnell, so dass infolge der grossen Verdunstungskälte ein Teil der Tropfen wieder erstarrt. Reine Blausäure ist bei Luftabschluss monatelang beständig. In wässerigen Lösungen zersetzt sie sich unter einer Abscheidung von braunen Flocken bald (Ammoniumformiat). Cyanwasserstoff (gasförmige Blausäure) ist ein farbloses, bittermandelartig riechendes Gas.
Blausäure ist sowohl in flüssiger wie auch in gasförmiger Form ausserordentlich giftig. Sie blockiert das Eisen des Hämoglobins der roten Blutkörperchen und stört dadurch die Sauerstoffaufnahme bei der Atmung. Grössere Blausäuremengen können unter Atemnot, Pupillenerweiterung und Krämpfen in wenigen Sekunden zum Tod führen. Es tritt der Erstickungstod ein. Die tödliche Dosis beim Menschen beträgt ungefähr 60 mg.
Traurige Bekanntheit erlangte die Blausäure im Zusammenhang mit dem Namen Zyklon B im 2. Weltkrieg. Dies ist flüssige Blausäure vermischt mit stark riechendem Chlorkohlensäure-methylester. Ursprünglich als hochwirksames Schädlingsbekämpfungsmittel für den Einsatz in geschlossenen Räumen gedacht (Schiffsräume, Silos, Gewächshäuser, etc), wurde es von den Nazis bald als Massenvernichtungsmittel in den KZ missbraucht. Als Kampfgas kann Blausäure zum Glück nicht eingesetzt werden, weil es etwas leichter als Luft ist.
Wo kommt Blausäure in den Lebensmitteln vor und wie entsteht sie?
Einige Pflanzenarten enthalten in den Samen cyanogene Glycoside (siehe Tabelle). Aus diesen entsteht dann bei geeigneten Bedingungen durch enzymatische und chemische Hydrolyse Blausäure. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang besonders das Amygaldin der bitteren Mandeln, das bei einer Hydrolyse Blausäure, einen Zucker sowie Benzaldehyd liefert. Dieser Vorgang wird durch das Zusammenkommen der sonst getrennten b-Glucosidase (Enyzm) und dem Amygaldin eingeleitet, wenn die nativen Zellstrukturen durch eine Zerkleinerung der Zellen zerstört werden.
Die in 60 bitteren Mandeln gebildete Blausäure kann für eine erwachsene Person bereits tödlich sein, während für Kinder diese Dosis auch schon mit 5-10 Mandeln erreicht sein kann. Ähnliche Glykoside findet man auch in den Kernen von Aprikosen, Kirschen, Zwetschgen und Pfirsichen. Diese können bei der Herstellung von Fruchtsäften oder Konfitüren ins Produkt gelangen, sofern bei der Herstellung die Kerne zerstört werden. Trotz dieser Gefahr werden die Kerne von Steinfrüchten aber oft sogar absichtlich aufgebrochen, um das Aroma zu verbessern.
Auch für die Mond- oder Limabohne ist bekannt, dass sich Blausäure bilden kann. Hier ist das Linamarin die Quelle für die Bildung von Blausäure, Glucose und Aceton. Es ist bei der Züchtung aber gelungen, den Linamarin-Gehalt zu reduzieren. Während die stark gefärbte wilde Form der Bohne einen hohen Gehalt aufweist, enthält die weisse kultivierte Form fast kein Linamarin mehr.
Cyanogene Glycoside in verschiedenen Samen und deren Produkte bei der hydrolytischen Bildung von Blausäure:
Samenart
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Glykosid-Name
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Zucker
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Limabohne, Leinsamen, Cassava |
Linamarin |
Glucose |
Limabohne, Leinsamen, Cassava |
(R)-Lotaustralin |
Glucose |
Prunus-Arten (Pflaumen, Zwetschgen) |
(R)-Prunasin |
Glucose |
Bittere Mandeln, Aprikosen, Pfirsich, Apfel |
(R)-Amygaldin |
Gentobiose |
Sorghum-Arten |
(S)-Dhurrin |
Glucose |
Gehalt an gebundener Blausäure in Lebensmitteln, die cyanogene Glycoside enthalten:
Lebensmittel |
HCN [mg/100g]
|
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Lebensmittel |
HCN [mg/100g]
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Limabohne |
210-310
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Cassava |
110
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neuen Varietäten |
10
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Erbse |
2.3
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Bittere Mandeln |
250
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Bohne |
2.0
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Sorghum sp. |
250
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Kichererbse |
0.8
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Wie kann die Blausäure entfernt werden?
Die Samen können durch ein geeignetes Vorgehen entgiftet werden. Dazu werden sie zerkleinert und angefeuchtet. Die Glykoside zerfallen dadurch, und die in der Folge entstehende Blausäure kann nach einer ausreichenden Inkubationszeit durch eine Erhitzung ausgetrieben werden. Bei einem kontrollierten Verfahren kann deshalb die Aromaverbesserung bei der Fruchtsaft-, Spirituosen- und Konfitürenherstellung durchaus sinnvoll sein. Dies gilt aber wirklich nur für die entsprechend kontrollierten industriellen Verfahren. Im privaten Bereich sollte man von solchen Rezepten Abstand nehmen.
Literatur
Beyer H., Lehrbuch der organischen Chemie, 23. Auflage, Hirzel Verlag, Stuttgart (1998)
Belitz H.-D., Grosch W., Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 4. Auflage, Springer Verlag, Berlin (1995)
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