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Kaffee fördert die Verdauung
Nach dem Essen soll man gemäss einer alten Regel entweder tausend Schritte tun - oder eben Kaffee trinken. Letzteres beruht auf dem Bericht eines skandinavischen Medizin-Fachblattes: Dieses führt an, dass mehrere Wirkungen bewiesen, diese aber in der Stärke individuell verschieden seien: Als Risiken bestätigen die Wissenschafter, dass Kaffee saures Aufstossen fördert und die Magenschleimhaut reizt - letzteres eben auch durch das enthaltene Coffein. Keine Belege fanden sie jedoch für einen Zusammenhang mit Magengeschwüren. Und das Positive: Kaffee fördert die Ausschüttung von Magensäften und die Darmtätigkeit. Dies bereits nach lediglich vier Minuten und ebenso stark wie nach einer Mahlzeit von 1000 kcal. Eine uralte Erfahrung wird hiermit bestätigt: Kaffee auf vollen Magen hilft verdauen - ein «Geheimnis» seines Erfolgs wird gelüftet und wissenschaftlich untermauert. Interessant dabei: Die betreffende Wirkung von coffeinfreiem Kaffee ist 25 % schwächer.
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Kaffeeforschung ist eine Wissenschaft, die der Pharmabranche in nichts nachsteht. Doch nebst der belebenden Wirkung von Coffein gilt es, ein weiteres Rätsel zu lüften: Welches sind die Reizstoffe, die bei empfindlichen Personen Sodbrennen verursachen? Theorien darüber gibt es wohl, bewiesen ist jedoch wenig. Ein Zuviel an Säure kann einem zwar sauer aufstossen, doch dies ist durch die Magensäure selbst bedingt. Mit Säure im Kaffee und Magenreizung hat es direkt nichts zu tun. Die chemische Natur der Reizstoffe, welche beim Rösten entstehen, ist zwar nicht genau bekannt. Man weiss aber durch Erfahrung, wie man die Reizstoffe reduziert: Einen magenschonenden Kaffee stellt man her, indem man die grünen, noch ungerösteten Kaffeebohnen dämpft oder mit einem Lösungsmittel wäscht. Neben den derart behandelten Kaffees gibt es auch die naturmilden Sorten aus säurearmen Provenienzen (vor allem aus Kolumbien und Brasilien), welche nicht behandelt werden müssen. Sie zeichnen sich durch einen milderen Geschmack mit weniger wahrnehmbarer Säure aus. Auch beim Entcoffeinieren werden dem Kaffee Reizstoffe entzogen.
Jeder schwört auf seine Methode
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Was verlangt das Gesetz?
Die Schweizer Lebensmittelverordnung (LMV) trägt der Unsicherheit über die Reizstoffe Rechnung. Sie anerkennt sowohl chemisch nachweisbare Behandlungen wie auch physiologisch belegbare Wirkungen. Die Begriffe «magenschonend» und «reizarm» sind in der schweizerischen Lebensmittel-Gesetzgebung nicht ausdrücklich aufgeführt. Da eine Täuschung der Konsumenten aber verboten ist, darf man sie nur in begründeten und belegbaren Fällen verwenden. Dies wird durch die Behörden stichprobenweise überprüft. Die Bezeichnung «naturmild» ist hingegen eine degustative Ermessenssache.
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Durch Dämpfen, dem sog. «Lendrich-Verfahren», stellt man schon seit siebzig Jahren Schonkaffee her - nicht in der Schweiz, wohl aber in Deutschland. Die Firma Tchibo schwört auf diese Technik - «weil sie klinisch wirksam ist», so der wissenschaftliche Leiter. Und er verrät: «Bisher gibt es Schonkaffee nur von unserer Tochtergesellschaft Eduscho. Unter der Marke Tchibo ist jedoch auch eine Lancierung geplant». Auch die Firma Darboven stellt ihren Schonkaffee durch Dämpfen her. Laut einer Firmenbroschüre sind für die Reizung Spaltprodukte der im Kaffee vorherrschenden Chlorogensäure verantwortlich. Die Wirksamkeit der Behandlung wird durch eine Analyse der Phenolstoffe nachgewiesen und die medizinische Wirkung durch klinische Tests. Auch die Firma «CR3 Kaffee Hermsen» (1), ein so genannter Auftrags-Veredler, bevorzugt aus demselben Grund das Dämpfen.
Anders denkt man bei der Firma Coffein Compagnie, ebenfalls ein Lohn-Veredler:
Dieser Hersteller ist überzeugt, dass das Abwaschen der Wachsschicht der Kaffeebohnen der richtige Weg ist, weil «die Reizstoffe erst beim Rösten aus dem Oberflächenwachs entstehen». Zum Beweis stützt sich die Firma einerseits «auf Analysen von Wachsbestandteilen mit der Bezeichnung Carbonsäure-Hydroxy-Tryptamide, welche um mehr als die Hälfte vermindert werden. Andererseits verfügt sie über medizinische Gutachten zur Bekömmlichkeit». Diese Stoffe gelten nicht nur als Behandlungs-Indikator, sondern stehen auch im direkten Verdacht, Reizstoffe zu sein. Nach dem Waschen werden die Bohnen allerdings wie beim Lendrich-Verfahren gedämpft, um das verwendete Lösungsmittel wieder zu entfernen. Einige Experten halten daher das Dämpfen für den wahren Grund, warum die verwendete Wachsentfernung eine Wirkung zeigt. Interessant dazu auch die Meinung des Kaffee-Profis Nestlé, welcher keinen Schonkaffee herstellt, da zum einen in der Schweiz zu wenig Nachfrage besteht und zum andern der wissenschaftlich gesicherte Wirkungsnachweis fehlt.
Pro und Contra
Wachsbestandteile sind jedoch hoch verdächtig die verantwortlichen Reizstoffe zu sein. Sie wurden an Ratten getestet, indem man diesen eine Dosis verabreichte, die 600 Tassen Kaffee entspricht . Tatsächlich litten die Tiere nach drei Wochen unter Magenschleimhaut-Schäden. Eine Kontrollgruppe, die das gleiche Gebräu aus entwachstem und gedämpftem Kaffee erhielt, hatte deutlich geringere Probleme. Der behandelte Kaffee enthielt deutlich weniger Tryptamide. Ob man aus diesem Experiment allerdings Schlüsse ziehen darf, ist eher umstritten. Eine solch massive Überdosis ist kaum repräsentativ für die Auswirkungen einer Normaldosis.
Wachsbestandteile können auch kaum die einzigen Reizstoffe sein. Zwei Indizien sprechen dagegen: Zum einen lösen sich nur etwa 7% der Tryptamide im Aufguss und diese gehen nicht einmal durch einen Papierfilter hindurch. Trotzdem gibt es Personen, die auch auf Filterkaffee reagieren. Zum andern kommen dieselben Tryptamide auch in Para- und Walnüssen vor. Reizungen durch diese Nüsse sind aus medizinischer Sicht aber nicht bekannt.
Streit um des Kaisers Bart
Trotz Unkenntnis der wahren Reizstoffe, hält der deutsche Kaffee-Wissenschafter und -Buchautor Hans Gerhard Maier sowohl das Lendrich- wie auch das Wasch-Verfahren für seriös. Denn solange die Konsumenten solche Produkte akzeptieren, soll man bei den bewährten Verfahren bleiben. Ausserdem können die Reaktionen des Körpers individuell sehr verschieden sein - analog zu den einschlägigen Erfahrungen in der Pharmakologie. Diese Tatsache trifft ja auch auf das Coffein zu, das den Schlaf nicht allen Menschen gleichermassen raubt.
Die Spurensuche nach den Reizstoffen ist ein spannendes Kapitel der Kaffeeforschung. Maier hält andere Stoffe für reizverdächtig: «Diterpen-Glykoside» sowie «Melanoidine». Letztere sind gleichzeitig die Farbstoffe des Kaffees. Erstere hingegen kommen vor allem im Arabicakaffee vor und werden beim Dämpfen tatsächlich vermindert. Klinische Studien dazu fehlen jedoch bis heute.
Auch die verwendete Brühmethode kann einen Einfluss auf den Reizstoffgehalt des Getränks haben. Antonio Benedetto, Kaffee-Experte bei Mövenpick meint, «Espresso sei magenschonender als Kaffee crème, weil in den ersten 15 Sekunden der Extraktion kaum Reizstoffe gelöst werden». Bei längerem Extrahieren werden dagegen zunehmend Bitterstoffe gelöst.
Sind deutsche Mägen empfindlicher?
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Einige Schonkaffee-Marken:
Gedämpft (Lendrich-Verfahren):
Gewaschen, entwachst und gedämpft:
- Kraft Foods: Onko S reizarm
- Haco: Migros extra mild «reizarm, von Reizstoffen nachweislich befreit»
Unbehandelt naturmild:
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Ein guter Detektiv schaut nicht nur durch die Lupe sondern auch über die Landesgrenzen. Es ist doch merkwürdig, dass Schonkaffee vor allem in Deutschland und der Deutschschweiz ein Thema ist, und nur in Deutschland Behandlungsverfahren dafür entwickelt wurden. Ist es ein Zufall, dass der Marktanteil von behandeltem Kaffee in Deutschland immerhin 16 % beträgt, in andern Ländern jedoch kaum der Rede wert ist? Und auffällig ist auch, dass gerade in Deutschland aromastarke Hochland-Arabicas beliebt sind. Hier liegt der Anteil von Arabica bei rund 80 %. Ganz im Gegensatz zu Grossbritannien und den Mittelmeerländern, die viel mehr Robusta konsumieren. Zu diesen Indizien kommt hinzu, dass die germanischen Völker oft ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein an den Tag legen, als die romanischen. Letztere bevorzugen ausserdem dunklere Röstungen, die kaum mit einer Schonbehandlung kombiniert werden.
Das Gesundheitsbewusstsein ist sicher ein primäres Kaufmotiv von Schonkaffee. Viele Konsumenten bewerten Kaffee als ungesund - die Lösung für sie heisst deshalb reizarmer Kaffee. Der in Deutschland hohe Marktanteil von Schonkaffee widerspiegelt daher eher die präventiven Gesundheitsbemühungen als die effektive Häufigkeit von Magenreizungen. Der naturmilde Kaffee ist vermutlich in Deutschland auch deshalb so verbreitet, weil dort schwächer geröstet wird und demzufolge in den Bohnen mehr Säure verbleibt.
Im Schweizer Detailhandel ist Schonkaffee ein untergeordnetes Segment und in der Gastronomie ist er kaum existent. «Zu wenig Nachfrage», konstatiert Jean-Michel Haffen, Gastro-Verkaufsleiter der Merkur AG: «Schonkaffee-Konsumenten sind eher untypische Kaffeetrinker». Naturmilde Kaffees sind jedoch in jenen Cafés zu haben, die ein vielfältiges Sortenangebot zum Konzept erheben, wie z.B. die Aroma-Kette: Als «mild und reizarm» wird dort «Mexico Maragogype» ausgeschenkt. Aroma-Chef Hans Maurer erklärt, dass «diese Sorte unbehandelt ist, aber dank der langsamen Handröstung viel Säure verliert und dadurch laut Kundenaussagen bekömmlich wird». Auch einige Kunden von «turm Kaffee » verwenden «magenfreundlichen Spezial», so Geschäftsleiter Peter Kuster: «diesen jedoch als alleinige Sorte, wenn in der Gästestruktur ältere Semester vorherrschen». Notabene: Empfindliche Personen können auch auf coffeinfreien Kaffee ausweichen, welchem normalerweise nebst dem Coffein auch die Reizstoffe entzogen werden.
Fussnoten:
- (1) CCR3-Kaffeeveredelung M. Hermsen GmbH, Waterbergstr. 14, 28237 Bremen
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