Gibt es bei uns Mangel im Überfluss?
In den Industrieländern ist die Situation hinsichtlich der Vitaminversorgung in der Tat nicht dramatisch. Die Vitaminversorgung ist aufgrund des reichen Nahrungsangebotes ausreichend, wenn man die durchschnittlichen Zufuhrdaten mit den empfohlenen täglichen Aufnahmen vergleicht. Engpässe gibt es allenfalls bei Vitamin D und bei der Pantothensäure. Der Vergleich dieser Durchschnittswerte ist aber immer etwas problematisch, weil diese Zahlen für den Einzelnen nicht aussagekräftig sind. Gewisse Gruppen der Bevölkerung haben effektiv eine ungenügende Vitaminversorgung (siehe unten). Man muss sich dabei aber bewusst sein, dass es sich bei den hierzulande auftretenden Unterversorgungen meistens nicht um akute Mangelerscheinungen handelt. Vielmehr äussert sich der Mangel in unspezifischen Anzeichen, wie Müdigkeit, Gereiztheit, Schlafstörungen oder Konzentrationsschwäche. Die Lebensqualität der Betroffenen kann dadurch natürlich stark beeinträchtigt sein. Man sollte nun aber nicht immer gleich alle diese oft unspezifischen Symptome mit einem Vitaminmangel in Verbindung bringen.
Schwangere und Stillende Frauen
Der Bedarf an Vitaminen steigt in der Schwangerschaft um etwa 50 %, während der Energiebedarf nur um etwa 20 % ansteigt. Es ist deshalb in dieser Zeit besonders wichtig, dass das Verhältnis zwischen Vitaminen und Mineralstoffen zum Energiegehalt der Nahrung in einem guten Verhältnis steht.
Besonders wichtig ist eine erhöhte Einnahme von Folsäure, da diese die Ungeborenen präventiv vor Neuralrohredefekten schützt (Spina bifida resp. offener Rücken und Anenzephalie). Es wird deshalb die Einnahme von Multivitaminpräparaten empfohlen, die neben der Folsäure noch Eisen, Magnesium und Calzium enthalten. Die Dosis sollte für Folsäure bei 0.4-0.8 mg pro Tag liegen. Sind in der Verwandtschaft schon Fälle von Spina bifida vorgekommen, so wird der Arzt eine noch höhere Dosierung verordnen. Diese höheren Gaben sind im Falle von Folsäure kein Problem, weil Überschüsse durch den Urin wieder ausgeschieden werden. Die Einnahme sollte schon vier Wochen vor einer geplanten Schwangerschaft erfolgen. Besonders in der 2. bis zur 4. Schwangerschaftswoche ist die Einnahme besonders wichtig, weil in dieser Zeit beim Embryo das zentrale Nervensystem angelegt wird. Schwangere sollten sich dessen bewusst sein, dass die empfohlenen Mengen an Folsäure nicht über die normale Nahrung aufgenommen werden können. Gerade die sehr früh nötige Einnahme von Folsäure im Falle einer Schwangerschaft verlangt von den Frauen, die keinen wirksamen Verhütungsschutz haben, eine gewisse Disziplin und Vorsorge.
Die Einnahme von Folsäure hat aufgrund von neueren Untersuchungen offenbar auch den weiteren Vorteil, dass es zu weniger Fehl- und Frühgeburten kommt. Ausserdem soll auch ein positiver Effekt hinsichtlich anderer angeborener Schädigungen, wie beispielsweise der sogenannten Hasenscharte oder hinsichtlich Missbildungen im Herz-Kreislaufsystem bestehen.
Säuglinge
Grundsätzlich gilt, dass die Muttermilch die beste Säuglingsnahrung ist. Dies gilt auch in Bezug auf die Vitamine. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Mutter selbst ausreichend versorgt ist. Problematisch sind hier die Vitamine D und K. Diese verhindern bei ausreichender Dosierung Rachits resp. Vitamin-K-Mangelblutungen. In der Schweiz werden daher für das erste Lebensjahr Vit. D-Tropfen empfohlen. Vitamin K verabreicht man den Säuglingen meist gleich nach der Geburt. Bei Erwachsenen ist die Vitamin K-Versorgung im Normalfall problemlos, weil die Form K2 von den Bakterien des Verdauungstraktes gebildet wird. Neugeborene verfügen einfach noch nicht über die dazu notwendige Darmflora.
Sportler
Grundsätzlich gilt, dass eine maximale körperliche Leistung nur bei optimaler Vitaminversorgung erreicht wird. Sportliche Betätigung oder intensive körperliche Arbeiten steigern den Energieverbrauch und damit auch den Vitaminverbrauch. Wenn die Nahrung entsprechend ausgewogen ist, kann aber ein Mangel an Vitaminen, wenn überhaupt, erst bei sehr extremen Anstrengungen auftreten (Spitzensport). Kritisch könnten allenfalls die Vitamine der B-Gruppe sowie die Vitamine C und E werden. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die beim Schwitzen verlorenen Mineralstoffe.
Senioren
Die Essgewohnheiten von Senioren ändern sich oft erheblich (Einsamkeit, nicht richtiges Kochen, Kauprobleme, etc.), was zu einer schlechten Vitaminversorgung führen kann. In diesem Zusammenhang sind auch Magen-Darm-Erkrankungen und die Einnahme bestimmter Medikamente zu nennen (siehe unter Kranke). Ganz allgemein nimmt auch die körperliche Aktivität ab und der Vitaminbedarf bleibt im Interesse der Erhaltung der allgemeinen Leistungsfähigkeit doch hoch. Es zeigt sich in der Folge oft eine Unterversorgung bezüglich der Vitamine A, B1, B2, B6, B12, D und C sowie der Folsäure.
Besonders Vitamin D ist vor allem im Frühjahr bei vielen Personen in ungenügenden Mengen vorhanden. Dies hat ebenfalls etwas mit der Änderung der Lebensgewohnheiten zu tun, da dieser Mangel mit einem Manko an Sonnenlicht erklärt werden kann. Einerseits ist die Eigenproduktion des Körpers von Vitamin D in der Haut wegen der fehlenden ultravioletten Strahlung grundsätzlich stark vermindert und andererseits nimmt im Alter die Kapazität der Vitamin D-Bildung der Haut auch ab. Ein täglicher Spaziergang im Freien kann da nur immer wieder wärmstens empfohlen werden. Als Ergänzung wird in den Wintermonaten ein sinnvoll dosiertes Multivitaminpräparat empfohlen, wenn denn nicht die grundsätzlichen Lebensumstände verändert werden können.
Kranke
Bei vielen Magen-, Darm- und Leberkrankheiten kann der Körper die Vitamine nicht mehr ausreichend aus der Nahrung aufnehmen. Eingenommene Medikamente wie Antibiotika sowie Schmerz- und Beruhigungsmittel können den Vitaminhaushalt zusätzlich belasten. Unser Immunsystem funktioniert auch nur richtig, wenn es mit genügend Vitaminen versorgt wird. So können mehrere Faktoren zusammen kommen, die den Körper bei ungenügender Vitaminversorgung weiter schwächen. In der Rekonvaleszenz unterstützt eine genügende Vitaminversorgung deshalb den Erholungsprozess.
Übergewichtige (Diäten)
Wird eine Diät durchgeführt, so verringert sich durch die reduzierte Kalorienaufnahme auch die aufgenommene Vitaminmenge. Mit den überschüssigen Pfunden schmelzen in der Folge auch die Vitaminreserven des Körpers, da der Bedarf an diesen nicht abnimmt. Kritisch wird es bei einer länger andauernden Diät bei weniger als 1600 kcal pro Tag. Bei weniger als 1000 kcal ist die Vitaminversorgung dann definitiv zu gering. Das gilt meist auch für noch so ausgefeilte Diätkuren. Eng wird es zuerst mit dem Vitamin B1 (Thiamin), weil die Reserven des Körpers nur für wenige Tage ausreichen.
Raucher und starke Trinker
Die Vitaminversorgung dieser Gruppe ist doppelt gefährdet: Sie nehmen aufgrund ihres meist eher geringen Gesundheitsbewusstseins weniger Vitamine auf und verbrauchen auf der anderen Seite aufgrund ihrer "Laster" auch noch mehr.
Bei Rauchern wurde festgestellt, dass die Vit. C-Konzentration im Blut mit der zunehmenden Anzahl gerauchter Zigaretten pro Tag abnimmt. Rauchern wird deshalb gegenüber Nichtrauchern empfohlen die Vit. C-Dosis um mindestens 40 % höher anzusetzen. Empfohlen wird hier eine Dosis von 150 mg pro Tag. Auch bezüglich b-Carotin (Vit. A) wurden bei Rauchern um etwa 15 % tiefer liegende Blutplasmawerte gemessen als bei Nichtrauchern.
Bei Alkoholikern sind aufgrund des hohen Alkoholkonsums die Vitamine der B-Gruppe betroffen. Davon wiederum speziell Vit. B1, B6 und die Folsäure.
Vegetarier
Vegetarier setzen sich freiwillig dem Risiko einer gewissen Unter-versorgung mit Nährstoffen und Vitaminen aus, weil sie auf Produkte tierischen Ursprungs teilweise oder vollständig verzichten oder gar ganz einseitige Diät-vorschriften befolgen. Vegetarier, die sich aber abwechslungsreich ernähren riskieren im Allgemeinen keine Unter-versorgung mit Vitaminen. Veganer müssen dagegen sehr gut darauf achten, dass sie genügend mit Vitaminen versorgt sind. Dies betrifft insbesondere das Vitamin B12, das nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt.
Obwohl neben den Vitaminen in diesem Zusammenhang noch weitere Faktoren eine Rolle spielen (Proteinversorgung, Aminosäuren-Zusammensetzung, Mineralstoffe) soll hier nur auf die Problematik der Vitamine näher eingegangen werden. foodnews wird zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls noch einmal näher auf die Problematik der vegetarischen Ernährung eingehen.
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Vegetarier ist nicht gleich Vegetarier. Man unterscheidet aufgrund der tolerierten Produkte verschiedene Formen. Das jeweilige Essverhalten hat natürlich direkte Auswirkungen auf die potentiellen Gefahren hinsichtlich ungenügender Vitaminversorgung. Die grundsätzliche Gefahr nimmt in der folgenden Aufstellung von oben nach unten zu.
- Semi-Vegetarier: Sie sind keine eigentlichen Vegetarier, weil sie hin und wieder etwas Fleisch konsumieren. Diese moderate Form des Vegetarismus wird allgemein als gesund bewertet.
- Pesco-vegetarier: Vegetarier, die auch Fisch essen.
- Ovo-Lakto-Vegetarier: Diese Gruppe lässt neben pflanzlichen Lebensmitteln auch Milchprodukte und Eier zu, jedoch keine Produkte vom toten Tier.
- Lakto-Vegetarier: Diese Gruppe lehnt Produkte von lebenden Tieren ab, toleriert aber Milchprodukte
- Veganer: Absolute Abstinenz von allen tierischen Produkten. Dies schliesst auch Honig ein.
- Pudding-Vegetarier: Sie essen ausschliesslich pflanzliche Nahrung, jedoch in verarbeiteter, isolierter und gekochter Form.
- Rohköstler: Sie sind keine eigentlichen Vegetarier, da sie neben der rohen pflanzlichen Kost auch rohes Fleisch, Fisch oder in einzelnen Fällen Insekten essen.
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Lakto-Vegetarier müssen sich weniger Sorgen hinsichtlich der Vitamin- und Mineralstoffversorgung machen, weil Milchprodukte genau die Vitamine und Mineralstoffe enthalten, die im Gemüse nur knapp vorhanden sind: Kalzium, Vitamine A, D, B2 (Riboflavin), sowie B12. Bedingung dazu ist aber, dass sie eine möglichst vielfältige Pflanzenkost zu sich nehmen, da jede Pflanzengruppe eine etwas unterschiedliche Nährstoffzusammensetzung liefert. Problematisch könnte die Versorgung mit Eisen und Zink sein.
Ovo-Lakto-Vegetarier kommen durch den Genuss von Eiern in der Regel auch zu genügend Eisen. Grundsätzlich kann diese Form des Vegetarismus durchaus als gesund bezeichnet werden.
Pesco-Vegetarier (Vegetarier die Fisch konsumieren) haben eigentlich gar keine Probleme zu befürchten, weil ihre Ernährung auch hinsichtlich Proteinversorgung der Normalkost gleichwertig ist.
Veganer sind die Vegetarier mit sehr eingeschränkter Diät. Sie sollten einiges über Vitamine, Proteine und Spurenelemente wissen, um sich selbst keinen Schaden zuzufügen. Problematisch ist diese Ernährungsform vor allem für Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen. Aus Sicht von foodnews ist diese Ernährungsform besonders für diese Altersgruppe nicht zu empfehlen. Veganer müssen ihren Speiseplan besonders sorgfälltig zusammenstellen. Sie müssen darauf achten, dass sie insgesamt zu genügend Protein kommen (Sojaprodukte und Bohnen), dass die Aminosäurezusammensetzung hinsichtlich der essentiellen Aminosäuren Lysin, Isoleucin, Methionin, Tryptophan stimmt und dass sie zu den Vitaminen und Mineralstoffen resp. Spurenelementen kommen, die ihnen im Gegensatz zu den Lakto- und Ovo-Lakto-Vegetariern fehlen (Vitamin A [in Karotten, Brokkoli, Kürbis, Spinat, angereicherte Margerine], Vitamin B2 (Riboflavin) [in dunkelgrünen Blattgemüsen], Vitamin B12, Vitamin D [in angereicherter Margarine, Aufenthalt im Freien], Kalzium [z. B. in Brokkoli, Okra, Mandeln, dunkle Melasse], Eisen [in Hülsenfrüchten, Vollkorn, dunkelgrüne Blattgemüse]). Vitamin B12 ist dabei besonders zu beachten, da ein Mangel an diesem Nährstoff zwar jahrelang unbemerkt bleiben kann, die schliesslich auftretenden Folgen, wie Blutarmut sowie Schäden am Zentralnervensystem, zum Teil aber irreparabel sind (Perniziöse Anämie). Im schlimmsten Fall wird das Rückenmark bleibend geschädigt.
Pudding-Vegetarier leben noch gefährlicher, weil sie ihre pflanzliche Nahrung nur in verarbeiteter, isolierter und gekochter Form konsumieren. Dies führt zu einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Von dieser problematischen Ernährungsform muss dringend abgeraten werden.
Fazit:
Vegetarier müssen sich vor allem dessen bewusst sein, dass Vitamin B12 nur in tierischen Nahrungsmitteln vorkommt und nur eine Einnahme via Tabletten oder in Form von Sojamehl oder Nährhefe den Bedarf decken kann. Sie müssen ausserdem bereit sein sich mit dem Thema Ernährung ausführlich zu befassen. Ausserdem sollten sie die Konsequenzen hinsichtlich einer optimierten Nahrungszusammenstellung innerhalb der selbstgewählten, begrenzten Auswahl an Nahrungsmitteln nicht auf die leichte Schulter nehmen. Irgendwelche ideologische Motive entbinden einen nicht davor die Selbstverantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen, um seinen Körper auch langfristig vor Mangelerscheinungen infolge von Fehlernährung zu bewahren.
Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: foodnews ist der Meinung, dass eine vernünftige, vegetarische Ernährung der typischen Ernährung in den Industrieländern durchaus überlegen sein kann. Langzeitstudien haben gezeigt, dass Vegeatarier in der Regel einen besseren Gesundheitsstatus aufweisen und länger leben als der Durchschnitt (Langzeitstudie des Deutschen Krebsforschungsinstituts). Die Diskussion Fleisch oder nicht Fleisch ist aber eigentlich völlig nebensächlich. Wichtig ist schlicht der bewusste Umgang mit der eigenen Ernährung und das entsprechende angepasste Verhalten. Am Ende müssen bei der Ernährung Vitamine, Mineralstoffe, die Vielseitigkeit (=> Sekundäre Pflanzenstoffe) und insbesondere die relativen und absoluten Mengen in einem geeigneten Verhältnis zur körperlichen Aktivität stehen. Erst wenn diese Faktoren optimiert sind, sind Gesundheitsvergleiche und Vergleiche bezüglich der Lebenserwartung wirklich sinnvoll.
Man muss also auch nicht unbedingt Vegetarier sein, um das Alter eines Methusalems zu erreichen. Wer auf das Rauchen verzichtet, Alkohol nur in Massen geniesst, körperlich aktiv bleibt und Übergewicht vermeidet, kann sein Risiko, vorzeitig zu sterben, drastisch reduzieren. Ein mässiger Fleischkonsum ist bei gesunder Lebensweise nicht von Nachteil.
Ein Vegetarier sollte sich der grundsätzlichen Problematik bewusst sein und seinen Speiseplan ganz bewusst zusammenstellen. Insbesondere muss er bei extremeren Formen des Vegetarismus einen gesunden Appetit mitbringen, damit eine ausreichende Zufuhr an Kalorien, Eiweiss, essentiellen Aminosäuren, Vitaminen und Mineralstoffen gewährleistet ist. Ein Veganer muss dafür teilweise beindruckende Mengen verzehren.
Eine vegetarische Ernährung ist durchaus möglich, wenn man weiss, was man tut.
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