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IndexDie Geschichte der Kartoffel

Lange wurde sie verkannt und heute ist sie
doch eine unserer wichtigsten Nutzpflanzen

Die Anden gelten heute als eine vom Weltgeschehen abgeschnittene Region. Viele vergessen aber, dass dort die Wiege einer der wichtigsten Nutzpflanzen der Welt stand. Gemeint ist die Kartoffel (Solanum tuberosum). Mehr über den Siegeszug der Knolle erfahren sie im Folgenden...

Inhalt


Eine Kulturpflanze macht sich auf den Weg in die Welt

Das Überleben hat die Kartoffel im rauhen Herzen der schroffen Berge der Anden gelernt. Die Kultivierung der Knolle in vielen hundert Varietäten (ca. 600) ist dort bis 7000 Jahre v. Chr. belegt. Die Indios stellten zur Haltbarmachung bereits früh eine Art Trockenkonserve her, die sie «Chuño» nannten. Die Knolle selbst nannten sie «papa».

Hungrige, spanische Konquistadoren fanden die Knollen in den Hütten der Einheimischen, als sie diese nach Essbarem durchwühlten. Sie kochten und assen sie und mussten zugeben, es sei «ein schmackhaftes Gericht - selbst für Spanier». Sie nannten die Knolle «patata» (woraus später im angelsächsischen Bereich «potato» wurde).

Die Spanier brachten die Kartoffel als bereits alte Kulturpflanze in der Folgezeit (letztes Viertel des 16. Jhs.) vom Hochland des heutigen Perus und Boliviens wahrscheinlich via Kolumbien an den Hof von Spanien, worauf in der Nähe von Sevilla erste Pflanzungen angelegtPhilipp II. von Spanien wurden.

Die Pflanze hatte aber noch 100 Jahre nach ihrer Entdeckung mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Man glaubte, sie verursache Aussatz, Lungenschwindsucht und Rachitis. Die Kartoffel wurde denn ursprünglich wegen ihrer Blüten auch eher als botanische Kuriosität und Zierpflanze, denn als Nutzpflanze verstanden. Viele grosse Männer mussten sich zuerst dafür einsetzen, dass die Kartoffel auch essbar ist.

Philipp II. von Spanien (1527-1598) überreichte dem Papst in Rom die ersten Kartoffelpflanzen 1565 noch als königliches Geschenk. Ph. de Sivry, der Stadtpräfekt von Mons, schickte 1588 zwei Kartoffeln an den Botaniker Carolus Clusius, der damals die kaiserlichen Gärten in Wien betreute. Dieser wiederum schickte nach eigenen positiven Degustationsversuchen Proben an befreundete Kollegen in verschiedenen Ländern Europas, wohlgemerkt mit genauen Vorschriften bezüglich Anbau und Zubereitung. In dieser Zeit kam die Kartoffel auch zu ihren weiteren Namen: Ihr deutscher Name leitet sich von der Trüffel ab und dieser kam über Frankreich (cartoufle) aus dem Italienischen (tartuffoli oder taratoufli).

Die Engländer kennen die Kartoffelknolle ihrerseits seit etwa 1590 via die Erbeutung von spanischen Schiffen.

Nach diesen ersten Kontakten mit Europa breitete sich die Knolle im Laufe der Zeit über ganz Europa und später über die ganze Welt aus. Dazu waren aber noch ein paar Hindernisse zu überwinden. Im Klima Europas bildeten sich ursprünglich nur an milden Standorten in Südfrankreich und später in Irland verwertbare Knollen.nach oben


Probleme mit Kurztagspflanzen

Alte Kartoffelsorten
Der Knollenansatz erfolgte bei den ursprünglichen Arten aus Südamerika wegen des Klimas und der mittleren Tageslänge viel zu spät, um nutzbare Knollen zu erzeugen. Alte Risse und Zeichnungen aus dem 17. Jh. zeigen noch kleinwüchsige, an Kurztage adaptierte Kartoffelpflanzen (Andigena), die ihre Energie statt für die Ausbildung von Knollen für die Bildung von weitverzweigten Stolonen einsetzten. Die Knollen waren klein und unregelmässig geformt (siehe hier). Erst die Auslese von Frühsorten machte den Anbau lohnend.

Oft kam es anfangs in Unkenntnis der richtigen Verwendung auch zu akuten Vergiftungserscheinungen aufgrund des in grünen Teilen der Pflanze vorkommenden Solanins.



Kartoffeln in der Schweiz

In der Schweiz tauchten die ersten Knollen 1590 über Schweizergardisten zuerst in Glarus und später im Botanischen Garten von Basel auf. Erste Kartoffelrezepte sind in der Schweiz für das Jahr 1596 belegt. 50 Jahre später wurden in Überstorf im Kanton Freiburg die ersten feldmässigen Kulturen angelegt. Als Nutzpflanze erhielt die Kartoffel aber eigentlich erst ab der Mitte des 17. Jhs. eine grössere Bedeutung. Die alte Welt veränderte sich durch die Einführung der Kartoffel wesentlich. Kapitän Cook hätte seine grossen Entdeckungsreisen (1888) ohne die nährstoffreiche, gut lagerfähige und gesunde Knolle nicht unternehmen können.


Die königliche Knolle in Deutschland

Friedrich II. der GrosseDie Einführung der Kartoffel als Volksnahrungsmittel war zunächst sehr problematisch, weil vor allem bei den Armen die Akzeptanz fehlte. Von Friedrich dem Grossen (1712-1787) von Preussen existiert dazu eine bezeichnende Anekdote über die Umstände, wie er die Kartoffelknolle einführen musste.

Die Geschichte erzählt, dass er während der Hungersnot von 1740 in der Nähe von Berlin Kartoffelfelder anlegen liess, die von Soldaten streng bewacht wurden, um Diebe abzuhalten. Friedrich zählte dabei in seiner Weisheit vertrauensvoll auf die menschliche Neugier, die die Bauern alsbald veranlasste, die heimlich entwendeten königlichen Knollen selber anzubauen.

Karikatur von Friedrich dem Grossen
Karikatur von Kurt Halbritter, die Friedrich den Grossen zeigt, der 1744 Kartoffeln unter Zwang anbauen liess.
Historisch belegt ist in jedem Fall, dass Friedrich der Grosse per Dekret den Anbau verordnen musste, um sein Volk vor Hungersnöten zu bewahren. 1744 schickte er «einen grossen Frachtwagen voll Kartoffeln» nach Kolberg. Ratsdiener und Feldwächter mussten aufgeboten werden, um die Bürger und Bauern zum Anbau zu zwingen. Dies ersparte Preussen in den Kriegswirren ab 1740 (Annexion von Schlesien) bis nach dem Siebenjährige Krieg (1756-63) Hungersnöte im Volk und verhalf der Knolle schliesslich zum Durchbruch.

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Die Reise nach Frankreich

Antoine Augustin ParmentierAuch wenn es die Knolle in der alten Welt zuerst sehr schwer hatte, ihr Geschmack und ihr Nährwert verhalfen ihr schliesslich doch zum Durchbruch. So erkannte der französische Armeeapotheker Antoine Augustin Parmentier 1760 in der Kriegsgefangenschaft bei Hannover durch chemische Untersuchungen das grosse Nährwertpotential der Inhaltsstoffe der Knolle.

Als er wieder nach Frankreich zurückgekehrt war, wurde er dort zum Fürsprecher der Kartoffel und empfahl sie als Getreideersatz in Notzeiten. Er fand mit seinem

Anliegen bei Ludwig XVI. Gehör, worauf dieser ihm in der Nähe von Paris ein Stück Land zur Verfügung stellte, das mit Kartoffeln bepflanzt wurde.

Man erzählt, dass Marie Antoinette während der Blütezeit der Kartoffeln bei festlichen Gelegenheiten ihr Haar mit den seltenen Blüten schmückte. Permentier selbst soll bei prominenter Gesellschaft einmal ein Diner abgehalten haben, bei dem es nur Kartoffeln in verschiedensten Zubereitungsformen gegeben haben soll. Parmentiers Kartoffelacker soll zu Anfang von Soldaten bewacht worden sein, um die kostbaren Früchte vor Dieben zu schützen. In einer Herbstnacht soll er dann die Wachen abgezogen haben, um der Geschichte ihren Lauf zu lassen und die Pariser mit Saatkartoffeln für ihre Gärten zu versorgen. Parmentier soll denn auch der Vater der Pommes frites sein.nach oben


Die Kartoffel in Engand

Auch in England waren es zuerst die Vornehmen, die als erste Kartoffeln assen. Bald konnte man in London auf den Strassen Händler sehen, die heisse, in der Schale geröstete Kartoffeln feil boten. An kalten Wintertagen war es bei den Damen Mode diese in ihren Muff zu stecken, um die Hände daran zu wärmen.


Der Weg zurück nach Amerika

Die Kartoffel machte in 200 Jahren einen grossen Umweg über Europa bis sie auch Nordamerika erreichte. 1719 führte James MacGregor, ein schottisch-irischer Geistlicher, 16 Auswandererfamilien von Nordirland nach Londonderry in New Hampshire. In ihrem Gepäck befanden sich als wertvolle Fracht Saatkartoffeln, die ihnen nach einer ersten Rodung von einem Hektar über den ersten Winter halfen.


Die Kartoffel als Waffe

Ihren endgültigen Durchbruch schaffte die Knolle in den Jahren 1770 bis 1777 anlässlich einer grossen Hungersnot. Vor allem in diesen Krisenzeiten war sie durch ihren hohen Flächenertrag sehr gefragt.

Der Bayrische Erbfolgekrieg im Jahre 1778/79 zwischen Preussen und Österreich artete zu einem eigentlichen Kartoffelkrieg aus. Die verfeindeten Soldaten beraubten sich gegenseitig ihrer Verpflegung und gruben auf den Feldern sämtliche Kartoffeln aus.

Die Kartoffelknolle wurde im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Bestandteil der Lebensmittelversorgung vieler vom Klima weniger begünstigter Länder. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gehört die Kartoffel in vielen Ländern Europas zu den Grundnahrungsmitteln. Der Kartoffelverzehr lag in Kriegszeiten zeitweise bei bis zu 200 kg pro Person. Diese Menge wurde seither nie mehr erreicht (Heute rechnet man in der Schweiz mit einem Verbrauch von etwa 50 kg pro Kopf und Jahr).nach oben


Krisen durch den Anbau in Monokultur

Durch die überhandnehmende, einseitige Konzentration auf den Kartoffelanbau ergaben sich aber bald auch Probleme mit eingeschleppten Krankheiten und Schädlingen. Die starke Abhängigkeit vom Gedeihen der Kartoffeln löste im immer dichter bevölkerten Europa in der Folge wieder grosse Hungersnöte aus.

Einen besonders dramatischen Verlauf nahm der Siegeszug der Knolle in Irland. Zunächst verdoppelte sich nach ihrer Einführung die Bevölkerungszahl, da endlich genug Nahrung vorhanden war. Acht Millionen Iren, so viele wie nie wieder, lebten schliesslich auf der Insel. Im regenreichen und kalten Sommer von 1839 befiel dann ein Pilz die degenerierte Kartoffelmonokultur und vernichtete die halbe Ernte (Kraut- und Knollenfäule). Das infizierte Saatgut ergab in den Folgejahren totale Missernten. Die Nahrungsgrundlage von Millionen Menschen war plötzlich verschwunden und Typhus sowie andere Epidemien dezimierten die vor Hunger geschwächte Bevölkerung in ungekanntem Ausmass. Die Hungersnot von 1845 bis 1851 reduzierte die Bevölkerung Irlands durch Tod und Auswanderung anschliessend um fast die Hälfte. Mehr als eine Million Menschen starben an Hunger und Krankheit. Viele wanderten notgedrungen aus, davon mehr als die Hälfte nach Nordamerika.

Der Auswanderungsstrom von Europa nach Nordamerika, hat einen Grossteil seiner Ursachen also auch im einseitigen Anbau der Kartoffeln und somit kommt der Einführung der Kartoffel in Europa neben einer botanischen auch eine immense historische, soziale und politische Bedeutung zu. Die Bauern zogen aus diesen  Ereignissen aber ihre Lehren und erkannten, dass Sie beim Anbau unbedingt eine genügende Artenvielfalt pflegen müssen, um ähnliche Katastrophen künftig zu vermeiden.nach oben


Die Kartoffel im II. Weltkrieg

Auch für uns Schweizer war die Kartoffel schon von wesentlicher Bedeutung. In der Schweiz mussten während dem 2. Weltkrieg die Kartoffeln dank der Anbauschlacht und den grossen Flächenerträgen nie rationiert werden. Ihr relativ hoher Ascorbinsäuregehalt stellte auch in Kriesenzeiten die Vitamin C-Versorgung sicher.


Die heutige Bedeutung der Kartoffel

Einige Fakten:

Die Kartoffel (Solanum tuberosum) gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. In der Schweiz werden auf einer Fläche von 14'000 Hektaren über 20 Sorten angebaut, Der Flächenertrag liegt bei durchschnittlich rund 4 kg pro Quadratmeter. Der Verbrauch liegt bei etwa 45 kg pro Kopf und Jahr.

Kartoffeln machen nicht dick!

Die verbreitete Ansicht, dass Kartoffeln dick machen ist falsch. Kartoffeln enthalten etwa 87 kcal/100 g und damit etwa so viel wie Äpfel. Kartoffeln sind eine gute und billige Vitamin- und Mineralstoffquelle insbesondere dann, wenn man sie mit der Schale zubereitet. Ein Gericht mit Kartoffeln enthält etwa gleichviel B-Vitamine wie zwei Scheiben Vollkornbrot. Dazu noch Eisen und Spuren von Kupfer und anderen Mineralstoffen.

Heutzutage sind sich alle der grossen Bedeutung der Kartoffel bewusst. Es existieren weltweit 5000 kultivierte Sorten und die Kartoffel wird in 130 Ländern der Erde angebaut. Nur die feuchten warmen Länder der Tropen eignen sich nicht für ihren Anbau. In China ernähren sich erstaunlicherweise mehr Menschen von Kartoffeln als von Reis. Global steht sie in der Liste der am meisten produzierten Nahrungsmittel an dritter Stelle hinter Weizen und Reis. Ihr Stärkeanteil wird heute nicht mehr nur zur Ernährung genutzt. Als nachwachsender Rohstoff steigt ihre Bedeutung noch weiter. Plastikersatz aus Kartoffelstärke ist bereits eine Realität.

Wenn es Sie interessiert, woher all die anderen Kulturpflanzen stammen, so klicken Sie hier.



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Einige Kartoffelrezepte finden Sie hier...
BB / 30.1.2004 - Last update: 16.11.2005
Autor: Dr. Bruno Baumann / Seitenaufrufe:
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