Vom Gewürz zur Quintessenz
Schon seit frühester Zeit werden aromatische Pflanzen oder Pflanzenteile wegen ihres Wohlgeschmacks vom Menschen geschätzt und sind auch heute noch unter dem Begriff Gewürze unverzichtbarer Bestandteil der Nahrungszubereitung. Sie verstärken den Geschmack einer Speise oder eines Getränkes oder aber sie verleihen ihm erst seinen ureigenen Charakter. Obwohl der Nährwert gering ist, haben diese aromatisierenden Bestandteile oftmals auch eine wichtige physiologische Funktion. Sie regen zum Beispiel die Speichel-Sekretion an und fördern damit die Verdauung. Daneben wird eine Reihe von Gewürzpflanzen wegen ihrer antiseptischen und heilenden Wirkungen in der Volksmedizin schon seit langer Zeit in Form von Salben, Tinkturen und Tees verwendet.
Die aromatisierenden Eigenschaften machten Gewürze zu den ersten dokumentarisch erwähnten Tausch- und Handelsartikeln des Altertums. Dies meist in getrockneter oder sonst wie haltbarer Form. Schon sehr früh erkannte der Mensch, dass nur ein kleiner Teil, nämlich bestimmte Inhaltsstoffe der Gewürze, für die geschmacksgebende oder aromatisierende Wirkung verantwortlich waren. Es lag daher nahe, diese Wirkstoffe zu konzentrieren oder zu isolieren. Techniken wie Abkochen, Abpressen und Mazeration von Samen, Früchten, Wurzeln und anderen Pflanzenteilen wurden bereits im frühen Altertum mit einfachen Destillationstechniken ergänzt. So kann nachgewiesen werden, dass erste Hochkulturen in Indien und China schon einzelne destillierte Öle wie Rosen- oder Calmusöl kannten.
Der arabische Schriftsteller und Hofarzt Abulcasis (Abul Qasim-Halaf ibn al Abbas az Zahrawi, um 1000 n. Chr. Hofarzt der Kalifen von Cordoba, gest. 1010) beschrieb die Destillation als erster eingehend. Gemeint ist damit die Extraktion von aromatischen Substanzen mittels Alkohol. Er schenkte den im Destillat abgeschiedenen Öltröpfchen noch keine besondere Bedeutung, zumal das Destillat damals meist noch mit lösendem Alkohol versetzt war. Eben diese Öle waren es aber, von welchen eine aromatische oder pharmakologische Wirkung ausging. Paracelsus (1493 - 1541) erkannte als erster, dass die Wirkung solcher Öle auf bestimmte Einzelbestandteile zurückzuführen ist. Der Begriff "essentielle Öle" leitet sich denn auch ab von quinta essentia (Quintessenz), dem "Wesen einer Sache".
Dem Geschmack auf der Spur
Im Mittelalter wurde die Technik der Destillation laufend verbessert und fand später dank zahlreicher Destillierbücher weite Verbreitung. Wegbereitend waren dabei die Werke "Liber de arte destillandi" des Strassburger Arztes Hieronymus Brunschwig (1450 - 1534), die "Annotationes" des Valerius Cordus (1515 - 1544) und der "Thesaurus Euonymi Philiatri" von Conrad Gesner (1515 - 1565). Noch waren es vor allem Apothekerlaboratorien, die sich mit der Gewinnung essentieller Öle beschäftigten. Erst die Vervollkommnung und verbreitete Benutzung der Destilliergeräte führte zu einer rationelleren wissenschaftlichen Behandlung und Erforschung dieser Pflanzeninhaltsstoffe. Die Verwendung destillierter Öle nahm nicht nur im Arzneiwesen, sondern auch in Haushalt und Gewerbe zu.
Die Kenntnis der Natur aromatische Substanzen in möglichst konzentrierter Form entziehen zu können, war eine Voraussetzung für die moderne Aromentechnologie. Um dem Geschmack auf die Spur zu kommen, bedurfte es jedoch noch weit mehr. Konnte man bis anhin die Arbeitsweise noch am ehesten mit Alchemie umschreiben, wurden im achtzehnten Jahrhundert unter dem Einfluss von Cavendish, Scheele, Priestley und Lavoisier die Grundlagen für die moderne organische Chemie geschaffen. Erste chemisch definierte Substanzen konnten aus pflanzlichen Materialien isoliert werden und systematische Untersuchungen mittels chemischer und physikalischer Methoden eröffneten nun einen vertieften Einblick in die Welt der Geschmacksstoffe. Als es dann gelang, erste organische Substanzen zu synthetisieren, waren die Grundvoraussetzungen für die moderne Aromentechnologie geschaffen.
Die Natur als Quelle und Vorbild
Mit Beginn der industriellen Nahrungsmittelproduktion wuchs auch die Nachfrage nach konzentrierten Geschmackstoffen (sog. Aromen). Aromen garantierten einen gleichbleibenden Geschmack und verliehen einem Produkt erst seinen eigenständigen Charakter. Waren die ersten Aromen noch meist komplexe Gemische natürlichen Ursprungs, gaben verfeinerte Analysenmethoden und Fortschritte in der Chemie schon bald Antworten auf spezifischere Fragen nach den eigentlichen geschmacksgebenden Substanzen. Es war daher naheliegend, dass Extrakte natürlichen Ursprungs schon bald abgelöst wurden durch synthetisch hergestellte preisgünstigere Aromastoffe und deren Mischungen. So war Vanillin der erste bedeutende, synthetisch hergestellte Aromastoff.
Heute sind mehr als 5000 Geschmacksstoffe identifiziert und zum grössten Teil auch synthetisiert.
Bedeutung von Aromastoffen
Die Zahl der aromatisierten Lebensmittel hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Dies ist eine Folge des Anstiegs industriell produzierter Lebensmittel sowie stark veränderter Lebensgewohnheiten.
Eine Aromatisierung mit Aromen drängt sich bei standardisierten Produkten aufgrund der dadurch möglichen gleichmässigen Dosierung, der ganzjähriger Verfügbarkeit sowie der mikrobiologischen Sicherheit (Gewürze und Kräuter sind oft stark verkeimt) oft auf. Auch hat sich die sensorische Wahrnehmung in der Bevölkerung derart verändert, dass meist stärkere Sinneseindrücke bevorzugt werden, die mit "natürlichen" Zutaten oft nicht erreicht werden können. Es stellt sich allerdings auch die Frage, ob der Konsument mit der verstärkten Aromatiserung über die Zeit nicht geradezu zu höheren Aromadosierungen erzogen wird.
Eine Aromatisierung ist bedingt durch Herstellungs- und Lagerungsbedingungen häufig auch gar nicht zu umgehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn zur Streckung traditioneller Lebensmittel neuartige Rohstoffe zum Einsatz kommen (z.B. beim Einsatz von Proteinisolaten oder bei der Herstellung von Surrogaten).
Deutlich ist ein vermehrter Einsatz von Essenzen statt der traditionellen Rohstoffe. Aufgrund der unterschiedlichen Verfügbarkeit von konventionellen Aromaträgern schwanken deren Tagespreise oft stark und spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle beim Entscheid über den Einsatz der Mittel. Bei natürlichem Vanille besteht beispielsweise eine grosse Abhängigkeit von den Produzenten, da oft signifikante Qualitätsunterschiede und massive Liefermengenprobleme auftreten können (=> Bourbon-Vanille aus Madagaskar).
Aromahersteller und Bezugsquellen
Wichtige Hersteller von Aromastoffen sind:
Bezugsadressen auch für Privatanwender:
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