Brauchen wir wirklich funktionelle Lebensmittel oder handelt es sich lediglich um eine Modeströmung?
Wer sich vielseitig ernährt, genügend Bewegung hat, keiner Risikogruppe angehört und keinen extremen Lebenswandel führt, braucht weder angereicherte Lebensmittel noch Functional Foods.
Leuten, die sich nicht so verhalten können oder wollen, will die Lebensmittelindustrie mit den Functional Foods eine Alternative anbieten. Lebensmittelwissenschaftler und Behörden, die sich um die Volksgesundheit kümmern, äussern allerdings Bedenken. Sie befürchten, dass mit diesen Produkten der Wille zur "normalen", gesunden Ernährung und zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen unterlaufen wird, nach dem Motto: "Man kann tun und lassen, was einem gerade Spass macht oder was der Beruf erfordert, muss sich um die Ernährung wenig kümmern und beruhigt das schlechte Gewissen mit den vielversprechenden Functional Foods".
Geht diese Rechnung auf?
Wohl nur zum Teil.
Erstens essen wir ja nicht nur zum Zweck der Nahrungsaufnahme. Essen soll auch Genuss, Entspannung und Gelegenheit zu guten Gesprächen und Sozialkontakten bieten, sei es im Familienkreis oder unter Freunden.
Zweitens enthalten traditionell zubereitete Nahrungsmittel neben den bekannten Inhaltsstoffen, wie Eiweiss, Fett, Kohlenhydraten, Vitaminen und Spurenelementen noch eine Vielzahl weiterer Substanzen, deren Funktion noch lange nicht erforscht ist. Diese physiologisch aktiven Substanzen sind heute Gegenstand intensiver Forschung und es werden laufend neue Zusammenhänge entdeckt und einzelne Inhaltsstoffe auch ganz neu bewertet. So weisen z.B. neuere Forschungsresultate darauf hin, dass die Substanz Phytin, welche vor allem in Vollkornprodukten vorkommt, in direkter Weise der Entstehung von Dickdarmkrebs entgegenwirkt. Bis vor kurzem galt Phytin als unerwünscht, da diese Substanz die Aufnahme von Mineralstoffen behindert (vor allem Calzium). Solange solche Zusammenhänge nicht restlos geklärt sind - und dies wird noch lange nicht der Fall sein - wird die alte und bewährte Ernährungsregel "von möglichst vielen Produkten möglichst wenig essen" Gültigkeit haben. Wir vertrauen damit im Bewusstsein, dass wir einfach nicht alle Zusammenhänge verstehen auf die Natur, in der Annahme, dass die Evolution uns im Wechselspiel von Mutation und Selektion hinsichtlich der Ernährung in optimaler Weise zu dem gemacht hat, was wir heute sind. Mit der sinnvollen Nutzung ihres vielfältigen Nährstoffangebots, verbunden mit einer vernünftigen Lebensweise, kann davon ausgegangen werden, dass sie für jeden etwas bereithält, ohne dass dabei unter normalen Lebensumständen eine Gefahr der Über- oder Unterdosierung besteht. Funktionelle Nahrungsmittel sind demgegenüber so gestaltet, dass ein oder nur einige wenige Aspekte der Ernährung besonders ausgeprägt berücksichtigt sind. Dies kann in gewissen Situationen, vor allem bei Mangelsituationen durchaus Sinn machen. Niemals können diese Produkte jedoch eine vielseitige Ernährung ersetzen.
Drittens weiss man in vielen Fällen einfach noch zu wenig über die Langzeitwirkungen dieser Produkte. Wer wagt z.B. zu behaupten, dass wir auf die Dauer besser leben, wenn wir unsere angestammte Darmflora mit probiotischen oder prebiotischen Produkten verändern? Kurzfristig mag sich daraus durchaus eine erhöhte Resistenz gegen Krankheitskeime einstellen, was gerade bei Reisen in ferne Länder Sinn machen kann. Darüber sind inzwischen zahlreiche Berichte geschrieben worden, aber ein schlüssiger Beweis steht bisher noch aus. Dieses Fehlen eines Beweises ist allerdings auch nicht zwingenderweise ein Hinderungsgrund, die Wirkung an sich selbst auszuprobieren.
Viertens werden preis- und ernährungsbewusste Konsumenten die Rechnung machen und feststellen, dass sie mit traditioneller Ernährungsweise in der Regel viel günstiger fahren.
Es erscheint dem einen oder anderen Beobachter wohl auch mehr als befremdlich, dass der Konsument nach den oft gehörten Aussagen der Meinungsforschung zwar ein zunehmendes Gesundheitsbewusstsein entwickelt, aber offenbar gleichzeitig doch nicht bereit ist, sein ungesundes Essverhalten anzupassen. In diesem Zwiespalt haben Functional Food wohl ein grosses Marktpotential.
Wohin geht die Reise?
Die heute erhältlichen Produkte sind sicher noch nicht das Ende der Entwicklung. Wir haben in der Zukunft auch Produkte zu erwarten, bei denen gezielte Eingriffe in die Erbsubstanz dazu führen sollen, dass Pflanzen mehr Vitamine, Eiweisse und Eisen produzieren oder einlagern.
- Bei Reis ist es an der ETH Zürich durch die Einschleusung von zwei Genen aus der Osterglocke denn auch schon gelungen, den b-Carotin- sowie den Eisengehalt zu erhöhen.
- Bei Novartis versucht man Gemüsesorten mit Insulin zu züchten, um damit Zuckerkranken mit dem Diabetikergemüse die Spritze zu erparen.
Welche Produktegruppen gibt es inzwischen? |
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Probiotika:
Fermentierten Lebensmitteln wurde schon länger eine Schutzfunktion für den Darm zugeschrieben. Das Konzept der Probiotoka geht davon aus, dass Bakterien mit unerwünschten Aktivitäten unterdrückt und erwünschte Bakterien dagegen bez. Wachszum und Aktivität gefördert werden.
Nahrungsfasern:
Die gesundheitlichen Vorteile von Nahrungsfasern werden ebenfalls schon seit den 70'er Jahren postuliert. Man schreibt ihnen positive Eigenschaften hinsichtlich Verstopfung, Diabetes und Fettleibigkeit zu. Heute heissen hier die Schlagworte resistente Stärke und unverdauliche Oligosaccharide, die als Kohlenhydratsubstrate für die gewünschte Mikroflora des Darmes dienen sollen.
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Cholesterinsenkende Mittel:
Studien zeigen, dass die Zunahme der Herzgefässerkrankungen mit einem erhöhten Blutcholesteringehalt korreliert. Die Suche nach cholesterinsenkenden Mitteln führte zur Erkenntnis, dass bei den Nahrungsmitteln vor allem Hafer und Gerste sowie pflanzliche Öle diese Funktionalität aufweisen. Als aktive Substanzen wurden die b-Glucane in den Cerealien sowie mehrfach ungesättigte Fettsäuren in den pflanzlichen Ölen bestimmt. Zum Teil werden heute direkt diese Stoffe zur Anreicherung verwendet (Phytosterinester in Margerine). |
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