Das "französische Paradox" ist berühmt: Die Franzosen besitzen trotz cholesterinreicher Ernährung eine tiefe Herzinfarkt-Sterberate - vermutlich dank hohem Weinkonsum. Die wirksame Menge beträgt drei bis fünf Gläser pro Tag, doch hier beginnt das Dilemma mit dem Alkohol. Eine dänische Studie hat festgestellt, dass die Sterberate mit steigendem Weinkonsum abnimmt - bis zu einer Grenze von fünf Dezilitern pro Tag. Bei höherem Konsum nimmt sie wieder zu und erreicht bei sieben Dezilitern dieselbe Rate, wie bei Abstinenz. Bei noch höherem Konsum leidet die Leber.
Forschung nach den Ursachen
Fédor Bachmann (1), Professor für Hämatologie, ist überzeugt, dass mässiger Weinkonsum gesund ist und lebensverlängernd wirkt. Als ideal für die Gesundheit betrachtet der Mediziner für Männer täglich vier Deziliter Wein und für Frauen zweieinhalb Deziliter. Wer zu fettreichen Mahlzeiten Alkohol trinkt, senkt sein Arteriosklerose-Risiko. Bei der Frage nach dem Warum gehen die Experten-Meinungen jedoch auseinander.
Neuste Veröffentlichungen sagen aus, dass der Alkohol ein Hauptfaktor für die Präventiv-Wirkung des Weines ist. Seit kurzer Zeit sind aber auch die sog. bioaktiven sekundären Pflanzenstoffe ein Thema. Sie beseitigen im Körper den oxidativen Stress, ähnlich wie die Vitamine C und E. Zu diesen Biostoffen gehören phenolische Substanzen, welche insbesondere dem Rotwein auch die Farbe geben (Anthocyane) sowie Tannine, welche den Wein herb machen, jedoch auch seine Haltbarkeit verkängern. "Wein-Phenole wirken viel stärker als Vitamin E", meint Michel Bourzeix (2), Direktor des französischen Weinforschungs-Institutes am INRA (=> Vin et Santé). Den Polyphenolen wird heutzutage eine Vielzahl von Wirkungen zugeschrieben: So sollen sie vor Krebs, Mikroben und Entzündungen schützen, wie auch Immunsystem und Blutdruck regulieren.
Der Phenolgehalt hängt vom Anbaugebiet, der Verarbeitungstechnik und der Lagerdauer ab. Laut Bourzeix sind Pinot noir, Cabernet-Sauvignon und Merlot die phenolreichsten Traubensorten. Er weist auch darauf hin, dass die aktiven Phenole bei der Weinalterung abnehmen, weil sie durch den Sauerstoff, der durch den Korken wandert, oxidiert werden. Der australische Arzt und Wein-Historiker Philip Norrie (3) sagt, dass Barriqueweine mehr Antioxidantien enthalten, als stahlfassgereifte Weine.
Ist Rotwein gesünder?
Alkohol löst die sekundären Pflanzenstoffe aus den Beerenhäuten - sofern diese nicht vorher abgepresst worden sind. Eine Maischegärung an den Häuten ist bei Rotwein üblich, bei Rosé und Weisswein hingegen nur die Mostgärung. Tatsächlich enthält Rotwein zehn mal mehr Phenole als Weisswein. Norrie meint aber, dass Rot- und Weisswein gleich wirksam seien. "Rotwein enthält zwar mengenmässig mehr Antioxidantien, jene im Weisswein sind dagegen wirksamer".
Edelfäule regt die Rebe an
Seit kurzer Zeit kennen die Experten ein neues hochwirksames Antioxidans: Resveratrol. Die Rebe bildet es zur Abwehr des Edelfäulnis-Pilzes Botrytis. Bioweine enthalten oft mehr Resveratrol, weil Bio-Reben sich aus eigener Kraft gegen Pilze wehren müssen. Das Forschungsinstitut für Biolandbau (FiBL) hat kürzlich informiert, dass Bioweine 10-25 % mehr Resveratrol enthalten als konventionelle Weine. An der Universität von USA-Illinois hat man diesen Stoff intensiv untersucht und dabei festgestellt, dass er "von allen Pflanzenstoffen die beste Krebsprävention bietet". Ein Fachmagazin lobt ihn gar als "Aspirin-ähnlich".
Wieviel Wein ist sinnvoll?
Die Zeitschrift "Ernährungs-Umschau" (4) empfiehlt zur Vorbeugung gegen chronische Krankheiten im Rahmen einer abwechslungsreichen Mischkost zu den Hauptmahlzeiten einen "regelmässigen Weinkonsum". Eine salomonische Aussage - aber welche Menge ist damit gemeint?
Die Stelle Nutrinfo der Schweizerischen Vereinigung für Ernährung (SGE) präzisiert: "Wein ist kein Muss für die Gesundheit. Man erreicht die präventiven Effekte auch mit einer ausgewogenen Ernährung. Wer gern Wein trinkt, soll Mass halten: Für Männer heisst dies zwei Gläser pro Tag, für Frauen ein Glas".
Gesunde und ungesunde Stoffe im Wein
Positive Effekte
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Negative Effekte
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Alkohol |
Alkohol |
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Alkohol verflüssigt das Blut, senkt den Spiegel an "schlechtem" LDL-Cholesterin und erhöht den Wert für das "gute" HDL-Cholesterin. In kleinen Mengen senkt Alkohol den Blutdruck, ab einem Deziliter Wein hingegen erhöht er ihn. |
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Alkohol beeinflusst im Gehirn den Stirnlappen, der Sitz von Vernunft und Urteilsvermögen ist. Dies bewirkt, dass, die Hemmungen verschwinden. Bei höheren Dosierungen leidet das Sprachzentrum und man beginnt zu lallen. Bei noch höheren Dosen versagt das Kleinhirn, und man verliert zunehmend die Koordinationsfähigkeit des Bewegungsapparates. |
Phenole |
Histamin |
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Phenole sind sogenannte bioaktive sekundäre Pflanzenstoffe. Dazu gehören auch die Weinfarbstoffe (sog. Anthocyane) und die Gerbstoffe (Tannine), die in den Beerenhäuten, Kernen und Stielen vorkommen. Sie gelten als Schutzfaktor vor oxidativem Stress. |
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Histamin ist eines der sog. "biogenen Amine". Es wirkt im Körper als Gewebshormon und verursacht das bekannte Weissweinkopfweh. Es erweitert die Kapillargefässe, wodurch das Gesicht rot anläuft. Der Kater nach einer Überdosis Wein wird auf diese biogenen Amine zurückgeführt. Histamin entsteht bei mangelhafter Kellerhygiene durch Bakterien sowie auch durch den normalen biologischen Säureabbau. Insbesondere verdorbene Weine enthalten viel davon. |
Resveratrol |
Schweflige Säure |
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Resveratrol bildet die Rebe zur Abwehr des Edelfäulnis-Pilzes. Die Substanz hat eine starke Schutzwirkung, ähnlich dem Vitamin C. |
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Einige Personen reagieren pseudo-allergisch auf dieses Konservierungsmittel. Viele halten diesen Schwefelanteil des Weines für die Quelle des typischen Weissweinkopfwehs. In Wahrheit stammt dieses aber eher vom Histamin. Eine Kleinstmenge an schwefliger Säure entsteht auch bei der Hefegärung. Die Mengen werden von der Leber aber rasch entgiftet. |
Salicylsäure |
Fuselöle |
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Die Salicylsäure ist vor einigen Jahren im Wein entdeckt worden. Sie hat blutverdünnende, enzündungs-hemmende und schmerzlindernde Wirkungen und ist ist insbesondere der Wirkstoff des "Aspirins". |
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Fuselöle (auch höhere Alkohole genannt) werden von der Hefe während der Vergärung gebildet und schmecken intensiv. Sie hemmen den Abbau des Alkohols und werden selbst nur langsam abgebaut. Schwere Weine sind reicher an höheren Alkoholen. |
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Ester |
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Schwere Weine enthalten fruchtig schmeckende Ester, die sich aus Alkohol und Säuren bilden. Sie reichern sich im Gehirn an und werden erst nach Tagen abgebaut. Diese Stoffe machen einen Wein "schwer". |
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Methyl-Alkohol |
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Methyl-Alkohol ist der niedrigste Alkohol und er ist sehr giftig (Erblindungsgefahr bei Konsum von schlechten Spirituosen). Er wird von der Hefe während der Gärung in kleinsten Mengen gebildet. Gehobene Rotweine enthalten mehr als einfache und Rotweine mehr als Weissweine. |
Fussnoten:
- (1) Prof. Dr. Fédor Bachmann, Chef du Lab. Central d'hématologie CHUV, CH-1001 Lausanne
- (2) Michel Bourzeix, Directeur de recherches honoraire, INRA Narbonne (F)
- (3) Dr. Philip Norrie, GP & Australian Medical Friends of Wine, 2/50 Kalang Road, Elanora Heights 2101, Sydney (Australia)
- (4) Ernährungs-Umschau - Zeitschrift über die Ernährung der Gesunden und Kranken, offizielles Organ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., Frankfurt a. M., des Verbandes Deutscher Diätassistentinnen, Frankfurt a. M. und der Vereinigung Staatlich anerkannter Diätassistentinnen und Ernährungs-Beraterinnen Deutschlands e.V. - Umschau-Verlag, Frankfurt
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