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ÜbersichtDer mikrobielle Verderb von Lebensmitteln - Teil VII /f

Verarbeitete Lebensmittel:

Inhalt


Verderb von Konserven

Nach der Abfüllung der Lebensmittel in reinfektionssichere Behälter (Dosen, Gläser, hitzebeständige Folien) wird durch eine Hitzebehandlung der verschlossenen Behälter eine Abtötung der vorhandenen Mikroorganismen erreicht. Die sogenannten Halb- und Dreiviertel-Konserven sind durch entsprechend hohe Salz- und Nitrit-Gehalte gegen eine Keimung und Vermehrung eventuell vorhandener Sporen von Clostridium botulinum geschützt. Alle sauren Konserven (Sauergemüse, Gemüse- und Obstsäfte, Obst, Salate in Dosen und Gläsern) mit einem pH-Wert unter 4.5 werden zu den Vollkonserven gerechnet, auch wenn bei der Erhitzung nur Kerntemperaturen unter 100 °C angewandt werden. Die Sporen von Cl. botulinum werden dabei zwar nicht abgetötet, doch können diese bei diesen sauren Bedingungen auch nicht auskeimen und sich vermehren. Ein Spezialfall sind hier die sogenannten Sous-vide-Produkte. Diese werden ebenfalls bei tieferen Temperaturen behandelt, sind aber nicht genügend sauer um eine Vermehrung von Cl. botulinum auszuschliessen. Hier wird die Haltbarkeit durch eine lückenlose Kühlkette garantiert, da Cl. botulinum unterhalb von 5 °C nicht mehr aktiv ist.

Zu den Konserven werden im weiteren Sinn auch die sogenannten Präserven gezählt. Man versteht darunter alle nicht durch Hitzebehandlung, sondern durch den Zusatz von Konservierungsstoffen haltbar gemachten Lebensmittel.

Beim Verderb von Konserven ist streng zu unterscheiden zwischen chemischen und mikrobiologischen Ursachen:

Chemischer Verderb:

Der wichtigste chemische Verderb bei Dosen ist die Bildung von gasförmigem Wasserstoff (Wasserstoff-Bombage) infolge einer Reaktion von Säuren aus dem Lebensmittel mit dem Eisen von Weissblechdosen. In einem solchen Fall war die Lackierung / Verzinnung der Dose fehlerhaft. Daneben spielen natürlich viele weitere chemische Prozesse eine Rolle, die sich aus der spezifischen Zusammensetzung des verpackten Lebensmittel ergeben. Eine Behandlung der Thematik an dieser Stelle würde zu weit führen. Es wird auf die einschlägige Literatur verwiesen.

Mikrobiologischer Verderb

Dieser kann drei Ursachen haben:

  • Undichtigkeit des Behälters:
    Sekundäre Kontamination durch das Eindringen von Mikroorganismen nach der Erhitzung.

  • Untersterilisation:
    Mikroorganismen oder Endosporen überleben die Erhitzung infolge unzureichender Temperatur oder Dauer

  • Verdorbene Rohware:
    Der Inhalt kann bereits vor der Erhitzung durch eine massive Mikroorgansimen-Vermehrung verdorben sein. Durch zu langes Stehenlassen vor dem Abfüllen oder zu durch lange Wartezeiten zwischen dem Abfüllen und der Erhitzung kann der Inhalt sauer oder alkoholisch verdorben sein. Es können auch hitzeresistente Exotoxine von Staphylokokken gebildet worden sein. Dieser Verderb vor der Erhitzung ist nur mikroskopisch oder serologisch, nicht aber kulturell oder makroskopisch nachweisbar


Mikrobieller Verderb infolge Undichtigkeit

Bei Undichtigkeiten können Mikroorganismen aus der Umgebung ins Innere gelangen. Die Hauptkontamination erfolgt meist bereits während der Abkühlung der Konserven durch mikroorganismenhaltiges Kühlwasser. Dieses kann beim langsamen Erkalten infolge eines leichten Unterdrucks ins Füllgut eingesogen werden. Betroffen sind vor allem starre Verpackungen, in denen sich beim Abkühlen ein leichter Unterdruck entwickelt. Auch bei Folienverpackung mit angelegtem Vakuum wird allenfalls kontaminiertes Kühlwasser eingesogen, wenn das Vakuum erst nach dem Erhitzen gebrochen wird.

Auch bei äusserlich intakten Packungen besteht ein gewisses Risiko, dass durch feine Haarrisse und schlechte Verschweissungen mikroskopische Beschädigungen auftreten, die für Mikroorganismen durchlässig sind. Das Vakuum muss dadurch nicht unbedingt sofort gebrochen sein. Der Druckausgleich kann auch sehr langsam erfolgen. Mikroporen können sich aufgrund von Temperaturschwankungen auch wieder schliessen. Eine wirksame Abhilfe gegen eine Kontamination über das Kühlwasser ist eine konsequente und laufend zu kontrollierende Chlorierung.

Bei grösseren Lecks können auch aus der Luft Mikroorganismen eindringen (z. B. bei grösseren Temperaturunterschieden während der Lagerung).

Der durch Leckagen verursachte Verderb kann äusserlich alle Arten von Bombagen zeigen. Er ist kulturell und mikroskopisch in der Regel daran erkennbar, dass aerobe und hitzeempfindliche Bakterien, Hefen und Pilze der verschiedensten Arten meist als Mischkulturen vorhanden sind. Der Inhalt erscheint meist schaumig oder auch viskos verändert. Er weist oft einen sauren bis putriden Geruch (Verwesungsgeruch) auf. Der pH-Wert kann stark variieren.

Bei schwachsaurem bis neutralem Füllgut sind in der Regel Mischkulturen von gram-positiven und gram-negativen Bakterien nachzuweisen. Bei sauren Produkten erfolgt der Verderb durch Milchsäurebakterien und Hefen.


Mikrobieller Verderb nach Untersterilisation

Nach dem Aussehen von untersterilisierten und durch mikrobiologischen Verderb veränderten Konservendosen kann man unterscheiden in:

  • Flipper:
    Mit flachen Deckeln, wobei sich der gegenüberliegende Deckel bei Druck mit dem Finger konvex herauswölbt und wieder hineinspringt.
  • Springer:
    Wenn beide Deckel vorgewölbt sind, aber auf Fingerdruck hin und zurück gehen.

In beiden Fällen kann es sich um eine beginnende mikrobiell bedingte Bombage handeln. Es können aber auch zu grosse oder zu kleine Kopfräume vorhanden sein. Aufschluss kann nur eine weitere Bebrütung mit entsprechender Untersuchung geben.

  • Flache Bombage:
    Wenn beide Deckel herausgewölbt sind, aber auf einer Seite mit dem Finger etwas einzudrücken sind.
  • Bombage:
    Starke, nicht eindrückbare Auswölbung beider Deckel. Ein Aufplatzen der Dose ist möglich. Dieses Stadium ist bei Beutelverpackungen schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt gut sichtbar.
  • Flach-sauer:
    Bei diesem Verderbstyp erscheinen die Packungen äusserlich unverändert. Die saure Veränderung des Inhaltes ist erst nach dem Öffnen feststellbar.

Wenn eine Untersterilisation vorliegt, können sich je nach pH-Wert des Füllgutes und der Bebrütungstemperatur sehr unterschiedliche Verderbserscheinungen mit oder ohne Bombagen ergeben. Bei Vollkonserven sind die Hauptverderbserreger in erster Linie anaerobe, gasbildende Clostridien-Arten, teilweise auch einige fakultativ anaerobe, auch nicht gasbildende Bacillus-Arten. Bei sauren Füllgütern (nur pasteurisiert) können auch vegetative Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien, Hefen und Schimmelpilze als Verderbserreger auftreten.

Generell lassen sich entsprechend den pH-Werten drei Gruppen unterscheiden:

I. Neutrale bis schwachsaure Lebensmittel (pH > 4.5)

Betroffen: Fleisch- und Fischprodukte, Milchprodukte, einige Gemüsearten, Fertiggerichte etc.
  • Verderb durch mesophile Sporenbildner:
    Clostridium-Arten insbesondere Cl. sporogenes und botulinum, Bacillus subtilis und andere Arten
  • Verderb durch thermophile Sporenbildner: Cl. thermosaccharolyticum (saure Bombagen), Bacillus stearothermophilus (Flach-sauer), Desulfotemaculum nigrificans (H2S-Bombage)

Gelegentlich wird auch zusätzlich unterschieden zwischen mittelsauren Produkten (pH 5.3 bis 4.6) und schwachsauren Produkten mit pH-Werten über 5.4.

II. Saure Lebensmittel (pH 3.7 bis 4.5)

Betroffen: Tomaten, Birnen, Feigen, Ananas, und andere Früchte, Obst- und Gemüsesäfte
  • Verderb durch mesophile Sporenbildner: Clostridium butyricum und Cl. pasterinum (Buttersäure-Bombage), Bacillus macerans und B. polymyxa (Bombagen)
  • Verderb durch thermophile Sporenbildner: Bacillus coagulans (flachsaurer Verderb)

Ein Verderb ist bei massiver Untersterilisation auch durch vegetative Milchsäurebakterien möglich.

III. Stark saure Lebensmittel (pH < 3.7)

Betroffen: Pickels, Grapefruits, Citrus-Säfte, Rhabarber, Sauerkraut
  • Verderb durch: Hefen, Schimmelpilze, Milchsäurebakterien (Lactobacillus und Leuconostoc), zudem hitzeresistente Ascosporen von Byssochlamys fulva und nivea.

Als Haupt-Verderbniserreger treten in der Praxis auf:

  • Thermophile flat-sour durch Bacillus stearothermophilus
  • Thermophile Bombagen durch Clostridium thermosaccharolyticum
  • Mesophile Bombagen durch Clostridium sporogenes


In sauren Obstkonserven können auch nach korrekter Sterilisation die sehr hitzeresistenten Ascosporen von Byssochlamys überleben, auskeimen und als starke Pektinolyten erheblichen Gewebszerfall verursachen.

In Präserven und Halbkonserven können sich Milchsäurebakterien wie insbesondere hitzeresistente Streptococcus- Lactobacillus- und Leuconostoc-Arten, wie auch Mikrokokken vermehren und durch Gasbildung Bombagen verursachen.



Die Eigenschaften der wichtigsten Verderbserreger finden Sie nachfolgend:

a) Thermophile Sporenbildner

Die Sporen thermophiler Bacillus- und Clostridium-Arten sind extrem hitzeresistent. Die sind daher oft auch in Vollkonserven, die nur "kommerziell steril" sind, noch nicht abgetötet und können bei Lagerung bei mehr als 40 °C auskeimen. Nicht selten sind auch nach massiver Vermehrung im verdorbenen Lebensmittel keine vermehrungsfähigen Zellen oder Sporen mehr nachzuweisen. Es ist zur sogenannten "Autosterilisation" gekommen.

Die thermophilen Sporenbildner stammen ursprünglich aus den Rohprodukten oder Zusatzstoffen (=> Gewürze). Sie können sich oft in den Verarbeitungsanlagen ansiedeln und das vorbeigeführte Gut via nicht entfernte Produktereste ständig neu kontaminieren.

  • Bacillus stearothermophilus:

    Dieser Sporenbildner verursacht "Flach-sauren"-Verderb ohne Bombage bei neutralen bis schwach sauren Lebensmitteln (Gruppe I). Betroffen sind Gemüse, Zuckermais u.a. Er ist obligat thermophil mit einer Optimum-Temperatur von 65 °C, wächst unterhalb von 37 °C nicht mehr und verursacht eine deutliche pH-Senkung mit gelegentlich schwach saurem leicht fremdem Geruch.

  • Clostridium thermosaccharolyticum:

    Dieser Sporenbildner verursacht starke Bombagen durch Gasbildung bei neutralen bis mittelsauren Lebensmitteln (Gruppe I). Er ist obligat anaerob und thermophil. Zucker wird zu CO2 und H2 abgebaut. Der Inhalt nimmt einen sauren, käse- oder buttersäureartigen Geruch an.

  • Desulfotomaculum nogrificans (früher Clostridium nigrificans):

    Dieser Sporenbildner verursacht relativ selten "Flach-sauren"-Verderb bei neutralen bis schwach sauren Lebensmitteln (Gruppe I). Betroffen sind meist Erbsen und Zuckermais. Die Sporen sind wenig hitzeresistent. Dadurch tritt dieser Verderb nur bei massiver Untersterilisation auf. Der Organismus ist obligat anaerob und thermophil und bildet viel H2S. Dieses wird im Aufguss gelöst und bildet in den Dosen zusammen mit dem Eisen der Dosenwände eine Schwarzfärbung der Aufgussflüssigkeit. Manchmal ist aber auch nur der H2S-Geruch wahrnehmbar.

  • Bacillus coagulans (= thermoacidurans):

    Dieser Sporenbildner verursacht ebenfalls "Flach-sauren"-Verderb ohne Bombage, vorzugsweise bei sauren Lebensmitteln (Gruppe II). Betroffen sind z.B. Tomaten und Tomatensaft. Der Organismus ist fakultativ thermophil, wächst nur langsam bei 25 °C, aber gut zwischen 30 und 55 °C. Der pH-Wert des Gutes wird wenig verändert. Es werden deutliche Verderbsgerüche gebildet.

b) Mesophile Sporenbildner

  • Clostridium sporogenes:

    Dieser Sporenbildner verursacht, wie auch andere Clostridium-Arten (Cl. botulinum, Cl. putrefaciens), starke Bombagen bei allen neutralen bis schwach sauren Lebensmitteln (Gruppe I). Die Endosporen dieser Arten sind sehr hitzeresistent. In der Regel sogar noch resistenter als diejenigen von Cl. botulinum. Daher wird eine Untersterilisation in der Regel rechtzeitig durch Bombagen angezeigt. Proteine werden unter Bildung von H2S, CO2 und übelriechenden flüchtigen Abbauprodukten abgebaut (Merkaptane, Ammoniak, Indol, Skatol). Der pH-Wert ist oft leicht erhöht.

  • Clostridium butyricum:

    Die Sporen von Cl. butyricum und anderer saccharolytischer, buttersäurebildender Clostridium-Arten (Cl. pasteurianum) sind relativ wenig hitzeresistent und treten daher in der Praxis nur in mittelsauren bis sauren Lebensmitteln auf (Gruppe II), die höchstens auf 100 °C erhitzt worden sind. Betroffen sind Ananas, Birnen, Tomaten, Tomatensaft usw. Beim Verderb kommt es zu einer Buttersäure- und Gasbildung (CO2, H2) mit starken Bombagen.

  • Bacillus-Arten:

    Die Sporen der mesophilen Arten sind wenig hitzeresistent. Ausserdem sind die meisten Arten aerob. So spielen sie meist nur bei selbstgemachten und auf lediglich 100 °C erhitzten Haushaltkonserven eine Rolle. Es ist meistens keine Gasbildung zu erkennen.

  • Bacillus polymyxa und macerans:

    Diese können sich bei schwach sauren Produkten mit grösseren Kopfräumen gelegentlich vermehren. Sie verursachen durch Gasbildung leichte Bombagen. Betroffen sind Kondensmilch, Randen, Erbsen, Spinat, Spargel, Tomaten, usw.



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BB / 13.5.2004 - Last update: 28.06.2005
Autor: Dr. Bruno Baumann / Seitenaufrufe:
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